Wir werden immer wieder auf das Hochwasserereignis Weihnachten 2023 am Serengeti-Park angesprochen. Daher wurde das zeitliche und örtliche Zusammenspiel von Niederschlagsergiebigkeit und Regenabfluss im unmittelbaren Einzugsgebiet ab östlicher Grenze BAB 7 betrachtet. Von einer Fläche von ca. 5 x 6 km wird das Wasser über verschiedene Gräben und Bäche schließlich bei Hodenhagen in die Aller geleitet. Hierbei sind zwei grundsätzlich unterschiedliche Sammelsysteme vorhanden. Zum Verständnis der Ereignisse ist es erforderlich das Zusammenspiel der einzelnen Systeme vor Augen zu führen.
A: Meisse und Einleiter (Brumbeeke, Prahlbeeke, Krusenhausener Bach) im freien Gefälle
Die Meisse entspringt in der Nähe von Bergen und mündet nach 42 km bei Hodenhagen in die Aller. Sie entwässert eine Fläche von ca. 300 km2. Sie fließt über Meißendorf und unter der A7 hindurch. Dort zweigt der „Esseler Kanal“ ab, der einen Teil des Meisse-Wassers aufnimmt. Die Menge ist in gewissen Bereichen regelbar. Dieses geschieht unter der Verantwortung des „Unterhaltungsverband Meisse“, der die Interessen seiner Mitglieder wahrnimmt. Mitglieder sind u.a. die Gemeinden Hodenhagen, Eickeloh, Hademstorf, Walsrode und viele andere aus dem Bereich der Landwirtschaft. Es ist erwähnenswert, dass der DV Hodenhagen nicht Mitglied im Unterhaltungsverband ist und daher die Interessen naturgemäß divergieren können.
Über eine Strecke von ca. 4,5 km münden zahlreiche Gräben aus dem überwiegend flachen Gelände in die Meisse, bis schließlich mit dem Zufluss der „Brumbeeke“ die Deiche des DV Hodenhagen beginnen. Aus dem Bereich Krelinger Bruch (südlich der L191) sammelt die „Prahlbeeke“ die Niederschlagsmengen und mündet in den Krusenhausener Bach, der seinerseits die Flächen nördlich der L191 sowie Teile des „Gewerbegebiets NORD“ entwässert. Der „Krusenhausener Bach“ ist über weite Strecken eingedeicht und mündet in Höhe des Flugplatzes in die Meisse. Dieser Bereich entwässert eine Fläche von ca. 20 km2.
B: Gräben und Einleiter (Großer Graben, Feldgraben, Heidland Graben), Schöpfwerk Hodenhagen
Ab BAB 7 mm süd-östlichen Bereich fließt der „Feldgraben“ und andere Gewässer, die die südlich der Meisse liegenden Flächen entwässern. Der Feldgraben fließt durch den Serengeti- Park hindurch und vereinigt sich (zuvor unter der eingedeichten Meisse gedükert) mit dem „Großen Graben“ zur Hudemühler Meisse. Der das Industriegebiet Nord sowie Teile des nordwestlichen Hodenhagens entwässernde „Heidlandgraben“ mündet kurz vor der Bahnunterführung in die „Hudemühler Meisse“ und wird dann geschöpft. Hierbei ist eine Höhendifferenz von bis zu 2 m zu überwinden. Das Schöpfwerk wird ebenfalls vom „Unterhaltungsverband Meisse“ betrieben. Es ist mit 3 Pumpen und je 30kW Antrieb bestückt und hat eine Pumpleistung von 3×2 m3/min. Der Bereich der Schöpfwerksgewässer entwässert etwa 10 km2.
Die Ursache für das Hochwasserereignis liegt in den erheblichen Niederschlägen im Dezember 2023 und den unzulänglichen Möglichkeiten des Abflusses. Dieses betrifft zumindest den gesamten norddeutschen Raum und ist somit als überregionales Ereignis zu bewerten. Aus den anliegenden Diagrammen sind Zeitpunkt und Ergiebigkeit der Regenfälle für die in der Nähe von Hodenhagen liegenden Messstationen zu entnehmen. Hierbei ist zu beachten, dass nur solche Stationen herangezogen werden können, die – geodätisch gesehen, oberhalb, oder in der Nähe der Einmündung in die Aller liegen. Dieses sind Bergen, Bad Fallingbostel sowie Essel.
Wir haben diese drei Stationen ausgewertet und den Mittelwert für die zwei Regenperioden ermittelt. Im Zeitraum um den 11.12.2023 betrug die Niederschlagsmenge 53,4 mm und für den zweiten Zeitraum um den 24.12.2023 herum betrug die Niederschlagsmenge sogar 106,1 mm. Bemerkenswert ist, dass es in den genannten Zeiträumen nicht zu nennenswertem Starkregen mit mehr als 100 mm gekommen ist, sondern dass der Regen mit mittlerer Ergiebigkeit über viele Tage hinweg andauerte. Für die betrachte Fläche von 30 km2 ergibt sich jedoch eine Gesamtmenge von 4,8 mio. m3 Wasser! Es darf angenommen werden, dass während der ersten Periode die Böden mit Wasser gesättigt wurden, das dann in der zweiten und wesentlich stärkeren Phase nicht mehr ausreichend versickern konnte, sondern oberflächennah in die Gewässer lief. Unter der Annahme, dass 50% der zweiten Regenspende direkt abfloss, ergibt dies eine Wassermenge von 1 mio. m3 für die Meisse sowie 0,6. mio m3 für die dem Schöpfwerk direkt zulaufenden Gewässer. Parallel hierzu führten die Flüsse Aller und Leine ebenfalls erhebliche Wassermengen mit sich, die am 28.12.2023 ihren Höchststand mit 4,38 m am Pegel Ahlden erreichten. Es lag also eine Situation vor, bei der der Abfluss der Meisse (infolge des Hochwassers der Aller) immer geringer wurde und sich daher immer größere Anteile des herunterströmenden Wassers neue Wege über Felder und Wiesen suchte. Dort befinden sich keine Deiche. Es kam zu einem Zusammenschluss der Meisse mit Feldgraben und Großer Graben, die schnell überliefen und die tiefer gelegenen Flächen des Serengeti-Parks auffüllten. Trotz der großen Wassermengen der Meisse kam es infolge des Aller-Hochwassers am 28.12.2023 zu einem Stillstand der Strömung. Da zu diesem Zeitpunkt keine nennenswerten Niederschläge mehr zu verzeichnen waren, hielten die temporären Speicherbecken NO und NW sowie der Serengeti-Park das Wasser sicher zurück. Hier waren zeitweise bis zu 0,5 mio. m3 Wasser gespeichert. Weiterer ergiebiger Niederschlag oder gar Starkregen hätten zur Umspülung der genannten Bereiche geführt und sich über die Flächen des Flugplatzes bis zum Ort ergossen.
Die Fragestellung, wie solche Ereignisse künftig besser zu beherrschen sind, ist überaus komplex. Es sind, neben dem beschriebenen Ablauf, auch solche Fälle zu betrachten, denen ein Jahrhunderthochwasser (HQ100) oder gar ein Extremhochwasser (HQ extrem) der Aller zugrunde liegt. In Kombination mit dem jeweiligen Zustand der Meisse ergeben sich zahlreiche Szenarien, die allesamt zu demselben Ergebnis führen:
- Bau eines Sperr- und Schöpfwerks in der Nähe der jetzt vorhandenen Anlage. Dieses bewirkt, dass die Aller bei einem HQ 100/HQ extrem nicht komplett in die Meisse eindringen kann und durch die Sperrmauer gestoppt wird. Gleichzeitig kann der Wasserstand der Meisse durch Pumpen verringert werden und somit ist ein Abfluss aus dem Bereich des Serengeti-Parks sichergestellt.
- Ertüchtigung einzelner Abschnitte der Meisse-Deiche. Errichtung eines Walls östlich Serengeti-Park. Diese Maßnahme leitet das Wasser vom Park ab bzw. hält es in diesem Bereich fest.
- Ausweisung von Speicherflächen zur vorübergehenden Speicherung von überschüssigem Wasser
z.B. in den Flächen NO und NW. - Vorhaltung einer mobilen Rückhalteeinrichtung (mobiler Deich) zur temporären Abdichtung ausufernder Flächen bzw. zum Schutz von Wohnbereichen.
- Durchführung technischer Maßnahmen (Verschlüsse) an Gräben, Dükern und Rohrdurchführungen mit dem Ziel die durchfließenden Wassermengen zu regeln oder ganz zu stoppen.
Eine in früheren Jahren betrachtete Lösung zur Erhöhung (Neubau) und Erweiterung der Meisse-Deiche über die jetzige Länge hinaus ist nicht zielführend. Die aufgezeigten Wassermengen sind in einem solchen Bauwerk nicht unterzubringen. Selbst wenn diese insgesamt 7,5 km lang sein sollten und bis zur BAB 7 reichen würden. Außerdem wären alle derzeit in die Meisse fließenden Gewässer zwischen dem Serengeti-Park und der Autobahn umzuleiten, da ja die Meisse dann eingedeicht ist. In diesem Zusammenhang ist auf die o.g. Berechnung zu verweisen. Ein eigedeichtes Flussbett von 20 m Breite und im Mittel 3 m Tiefe und 7500 m Länge würde eine Menge von 0,45 mio. m3 Wasser beinhalten. Das ist selbst bezogen auf das Ereignis 2023- nicht ausreichend. Bei einem HQ 100 der Aller fließt kein Wasser der Meisse mehr ab. Im Gegenteil: Die Aller drückt in die Meisse und füllt diese zusätzlich auf. Das gesamte zulaufende Wasser muss also innerhalb der Deiche gespeichert werden. Dieses hat unmittelbare Auswirkungen auf den Krusenhausener Bach und die Prahlbeeke, die dann auch allesamt mit hohen Deichen zu versehen wären. Für das Gewerbegebiet NORD bedeutet dieses, dass die nördlich der L 191 liegenden Flächen aufgefüllt werden, da ja kein Wasser ablaufen kann. Eine solche Baustelle, mit Bodenbewegungen auf mehr als 20 ha, wäre ein bedeutender Eingriff in die Natur. Mit entsprechenden Auflagen ist zu rechnen, die sowohl Bauzeit als auch den Kostenrahmen unüberschaubar machen. So viel Zeit haben wir nicht. Das Geld hierfür schon gar nicht.
Dr. Christoph Wasserfuhr
Verbandsvorsteher
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